20.10.2019 – Start 07:30 Uhr, Ortszeit – High Road, St. Giles Cathedral
Nach 15 Wochen Vorbereitungszeit, die mal mehr, mal weniger gut gelaufen sind und von viel Stress und Krankheit geprägt waren, stand ich am letzten Sonntag an der Startlinie der Ultra Tour of Edinburgh.
Nach einer ungewöhnlich ruhigen Nacht erhob ich mich um kurz vor 06:00 Uhr aus den Federn und prügelte etwas Frühstück und den lebenswichtigen Kaffee in den unwilligen Körper. Danach ging es zu Fuß zur Startline. Es hat auf jeden Fall viele Vorteile in der Nähe des Starts (und auch des Ziels) seine Unterkunft zu haben. Dies schont die eh noch kaum mehr vorhandenen Nerven.
Um die Uhrzeit war noch nicht viel los auf den Straßen von Edinburgh. Man sah nur vereinzelt ein paar Menschen mit Rucksack Richtung Start trotten. Der Start bestand lediglich aus einem Tor und ein paar Einweisern, die gerade gebrieft wurden. Aufgrund der frühen Startzeit und des Ortes wurde im Vorhinein bereits um entsprechende Ruhe gebeten, um den Anwohnern nicht zu sehr den Sonntag zu versauen.
Nach einer sehr kurzen Ansprache, die ich akustisch nicht verstehen konnte, da die Läufer alle schon zu aufgeregt waren und ununterbrochen geplappert wurde, gab es einen kurzen Countdown.
5, 4, 3, 2, 1… and off you go!
Wir liefen die High Road Richtung Osten hinab, dem Sonnenaufgang entgegen, alle aufgeregt und voller Erwartungen. Nach kurzer Zeit ging es zu Arthur‘s Seat und wir bahnten uns den Weg durch Schlamm und kleine Bäche hinweg, da es an den Tagen zuvor ausgiebig geregnet hatte. Der Regen blieb uns an diesem Tag aber zum Glück erspart.
Wie so oft bei solchen Langstreckenrennen vergingen die ersten 10km wie im Fluge. Ohne jemals wirklich auf die Uhr gesehen zu haben, versuchte ich meine Wohlfühlpace zu finden und mich nicht zu sehr von den ambitionierten Läufern ziehen zu lassen. Ich lief einige Kilometer in einer Gruppe von Japanern. Ich freute mich Wortfetzen verstehen zu können und hatte mit einer Frau eine winzige Konversation über die Schönheit der Landschaft. Und ja, die Highlands muss man einfach lieben. Die Szenerie, die Luft, die Ruhe… einfach すごい ! Die ersten kleinen Hügel und Treppenabschnitte meisterten wir ohne viel Mühe aber in ruhigem, gemäßtigem Tempo, wissentlich, dass die große Steigungen noch auf uns warteten.
Bei KM16 dann der erste Pitstop. Ich gönnte mir eine kleine Tüte Chips und ein paar Orangenscheiben, machte aber auch nicht zu lange Halt. Auch wenn die Umsorgung an den Verpflegungsstellen immer liebevoll und unterstützend war, wollte ich das was uns jetzt unmittelbar bevorstand nicht ewig hinauszögern… time to get it done!
Direkt hinter der Versorgungsstelle ging es schon merklich bergauf und es wurde schnell spürbar kälter. Wir waren durchgeschwitzt und die immer noch recht dichte Wolkendecke ließ noch keine Sonnenstrahlen hindurch. Der Wind nahm langsam, aber stetig mit jedem Höhenmeter zu. Ich zog meine Handschuhe wieder an und stieg weiter nach oben. Der Weg wurde immer schmaler und immer rutschiger. Zwischen Geröll und Matsch gaben wir uns alle Mühe nicht den Halt zu verlieren.
Mit steigender Höhe verengte sich der Weg schließlich zu einem schmalen Trampelpfad, welchen wir hintereinander empor stiegen. Immer steiler, immer weniger Halt. Ich merkte wie meine Unterschenkel brannten und sich ab und zu Vorstufen von Krämpfen bemerkbar machten. Die Oberschenkel begannen zu zittern und man musste immer mehr Konzentration auf seinen Tritt legen um nicht zu stürzen oder zurück nach unten zu rutschen. Oben angekommen begrüsste uns ein Strecken-Marshall und jubelte uns zu. Welcome to the first hill!
First hill? Achja, hätte ich fast vergessen… es gibt ja drei davon, jippie! Also den Berg nochmal ein kleines Stück hinab und weiter steil nach oben, weiter zu Hügel Nummer 2.
Nach einer weiteren kurzen Strecke bergab ging es dann den letzten Hügel empor. Kurz, aber heftig. Wir einigten uns darauf, dass der Weg hier irgendetwas zwischen cruel und brutal ist. An diesem Punkt musste dann auch ich kleinere Pausen einlegen. Mein linkes Bein war nicht mehr in der Lage seinen vollen Dienst zu tun und es gab keinen wirklichen Weg mehr. Nur noch eine matschige Wiese, die es einem sehr schwer machte nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Oben angekommen stöhnten wir alle erleichtert, als wir das 20KM Schild sahen. Der Ausblick hier oben war definitiv atemberaubend. Der Wind pustete uns um die Ohren und die Sonne kämpfte sich langsam aber sicher durchs Wolkenfeld und wärmte ein wenig unsere durchgefrorenen Körper.