Tag 316 – Hamburg Marathon 2019

Gestern habe ich zum 5. Mal am Hamburg Marathon teilgenommen und diesen auch (Vorsicht: SPOILER! ;)) ge-finished. Zum ersten Mal war ich 2012 dabei, 2014 musste ich das Rennen wegen einer Verletzung ausfallen lassen.

Und da sind wir auch schon beim eigentlichen Thema. Ich habe gestern zum ersten Mal eine offizielle Veranstaltung nicht als Wettkampf (also wirklich all-out) gelaufen. Dass es mir möglich ist einen Marathon mit geringer Anstrengung zu schaffen habe ich vor 2 Wochen bereits ungläubig festgestellt. Das Event gestern war aber nochmal eine ganz neue und auch etwas unangenehme Erfahrung.

Kurz zu den Fakten: ich war 10 min schneller als beim Trainingsmarathon vor 2 Wochen, ich habe heute (am Tag danach) etwas schwere Beine aber sonst keinerlei Ermüdungserscheinungen oder gar Muskelkater, meine Pace war etwas zu schnell, weil ich gegen Ende einfach nochmal Gas geben wollte und der Anfang wirklich sehr mühelos lief.

Der Plan war vorab klar, alles wie gehabt. Alle 5km Gehpausen zwecks Verpflegung und um den Puls etwas zu regulieren, ansonsten immer schön im GA1 Bereich bewegen und eventuell die letzten 4km etwas auf die Tube drücken. So wurde der Wasserrucksack befüllt und mit Müsliriegel und Gels bepackt und auf gings zum Hamburger Messeturm an die Startlinie.

Ich stand wie schon so oft im letzten Startblock. Warum auch nicht, ich hatte ja auch vor alles sehr entspannt anzugehen.

Und so überquerten wir um 09:45 Uhr (ungefähr 15 Minuten nach der Elite) als Schlusslichter die Startlinie. Viele Läufer strömten anfangs noch an mir vorbei. Ich lief die gesamte Strecke immer nahe am Straßenrand, ohne auf die blaue Linie (Optimallinie) zu achten um niemanden zu behindern.

Bereits bei KM5 zog sich das Feld in die Länge und bei KM15 sah ich nur noch vereinzelt Läufer um mich herum. Für mich ein gewohnter Anblick, da ich oft Rennen laufe für die ich gerade so geeignet bin und daher die Anzahl an verhältnismäßig langsamen Läufern gering ist.

Je länger ich unterwegs war, desto unangenehmer wurde mir die ganze Sache aber irgendwie. Je weiter fortgeschritten die KM Anzahl desto mehr schmerzverzerrte Gesichter sah ich. Leute, die sich die Unterschenkel massierten um die Krämpfe loszuwerden. Zusammengesackte Körper, die sich gehend oder auch humpelnd weiter nach vorne kämpften. Und ich nebenher, fast ohne Anstrengung meine langsame Pace haltend, teilweise sogar gelangweilt oder ein wenig zu fröhlich. Niemand mag solche Leute. Auch ich nicht. Schon gar nicht ich! Niemand möchte ums Überleben kämpfen, während nebendran jemand sich aus Langeweile in der Nase bohrt, Fotos macht oder chattet.

Aber nicht nur gegenüber den anderen Teilnehmern hatte ich ein schlechtes Gewissen. Ich hatte auch das Gefühl den Zuschauern Unrecht zu tun. Ja, ich hatte diesmal die Möglichkeit mit wirklich jedem abzuklatschen, was die Kiddies sehr gefreut hat. Ich hatte aber ein mieses Gefühl, wenn mich Zuschauern anfeuerten. “Du schaffst das! Gib nicht auf! Du bist toll!”, denn ich brauchte diese aufbauenden Worte nicht. Für mich war von Start an klar, dass ich ankommen werde und das voraussichtlich noch ohne echte Anstrengung…

Bei KM35, meiner letzten Versorungspause, die ich eingelegt habe, habe ich einer Freundin eine Nachricht geschrieben, dass ich bald im Ziel bin und ich mich freue, dass ich gleich noch etwas schneller laufen darf. Ein Zuschauer am Rand hatte das gesehen und mir zugerufen “Na, wenn das (am Handy rumspielen) noch geht, kann das alles ja nicht so schlimm sein!”. Ich entgegnete nur, dass es auch absolut nicht schlimm sei. Nein… sowas will echt niemand hören, schon gar nicht, wenn ab KM35 alles einfach nur noch weh tut.

Als Trainer hat mich die gestrige Erfahrung auf jeden Fall voran gebracht. Ich konnte “in Ruhe” beobachten wie man ab einer gewissen Erschöpfungsgrenze zusammensackt und man sich den Lauf unbewusst bzw. gezwungenerweise noch schwerer macht als er ohnehin schon ist. Auch welche Fehler man als unerfahrener Läufer macht und wie man diese verhindern kann.

Nichtsdestotrotz werde ich davon Abstand nehmen offizielle Veranstaltungen als Training zu “missbrauchen” (außer als Pacer). Nach dem gestrigen Tag habe ich den geplanten Lauf für diesen Sonntag gecancelt. Nicht nur wegen meiner Erfahrungen, sondern auch weil ich mich selbst unterschätzt habe. Ich dachte ich bräuchte offizielle Läufe um diese Trainingsdistanzen überhaupt schaffen zu können, aber das ist nicht der Fall.

Daher laufe ich diese Woche noch einen letzten, langsamen Marathon vor meiner Haustüre und schließe damit dann – hoffentlich – Woche 9 meines Ultra-Trainingsplan erfolgreich ab. Und da ich 20KM Läufe nicht mehr als “lang” betrachte wird dies dann auch mein letzter langer Lauf vor meinem Wettkampf sein.

Tag x kommt näher und näher. Und ja, ich habe immer noch immensen Schiss davor. ;)

Schreibe einen Kommentar

Wenn Sie diese Seite weiterhin nutzen, stimmen Sie damit dem Gebrauch von Cookies zu. Weitere Informationen

Diese Webseite verwendet Cookies. Cookies werden zur Benutzerführung und Webanalyse verwendet und helfen dabei, diese Webseite besser zu machen. Wenn Sie diese Webseite weiterhin benutzen ohne Ihre Cookie Einstellungen zu ändern oder auf "OK" zu klicken, stimmen Sie dem Gebrauch von Cookies zu. The cookie settings on this website are set to "allow cookies" to give you the best browsing experience possible. If you continue to use this website without changing your cookie settings or you click "Accept" below then you are consenting to this.

Schließen.